
Arthur Kronfeld
Foto: Portrait Arthur Kronfeld | © Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Geschichte der Medizin, Bildarchiv
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Arthur Kronfeld wurde 1886 als Sohn eines Berliner Rechtsanwaltes und einer Kölner Kaufmannstochter geboren. Medizin studierte er in Jena, München, Berlin und Heidelberg. Ab 1907 engagierte sich Kronfeld in der vom Göttinger Philosophen Leonhard Nelson gegründeten „Neuen Fries’schen Schule“. Aufgrund seiner künstlerisch-schriftstellerischen Neigung kam er mit Kurt Hiller – einem späteren Mitarbeiter Magnus Hirschfelds – in Kontakt. 1909 promovierte Kronfeld zum Dr. med. bei dem Psychiater Franz Nissl und begann seine nervenärztliche Ausbildung in Heidelberg. 1912 promovierte er zum Dr. phil. mit einer experimentalpsychologischen Arbeit bei August Messer in Gießen. Im selben Jahr verschaffte er sich durch die Schrift „Über die psychoanalytischen Theorien Freuds und verwandter Anschauungen“ wissenschaftliche Beachtung. 1913 kam Kronfeld nach Berlin an die Irrenanstalt Dalldorf, wo er unter Hugo Liepmann zur Aphasie forschte.
Der Erste Weltkrieg unterbrach seine Karriere: Infolge einer Granatsplitterverletzung versetzte man ihn zum Aufbau einer „Nervenstation“ eines Reservelazaretts nach Freiburg/Br., wo er 1918 die Stenotypistin Lydia Quien heiratete. Während der Novemberrevolution 1918 war Kronfeld Pressesprecher und führender Delegierter des Freiburger Soldatenrates, von wo er im selben Jahr zurück nach Berlin an die städtische Irrenanstalt Herzberge kam.
1919 begann Kronfeld aus pekuniären Gründen seine Mitarbeit am von Magnus Hirschfeld im Berliner Tiergarten gegründeten weltweit ersten Institut für Sexualwissenschaft, dessen wissenschaftliche Reputation im Wesentlichen ihm als Leiter der Abteilung für „seelische Sexualleiden“ zu verdanken war. Neben seiner forensischen Tätigkeit in zum Teil spektakulären Sexualstrafrechtsprozessen, entfaltete Kronfeld dort eine Lehrtätigkeit zum breiten Spektrum der Psychotherapie, einschließlich Psychoanalyse, sowie eine rege Publikationstätigkeit zu psychiatrischen, sexualwissenschaftlichen, und wissenschaftsphilosophischen Themen.
Nach seinem Ausscheiden aus Hirschfelds Institut 1926, ließ sich Kronfeld in Berlin Tiergarten privatärztlich nieder und begann seine Habilitation bei Karl Bonhoeffer, die er bereits ein Jahr später mit dem Titel „Die Psychologie in der Psychiatrie“ veröffentlichte. Seit 1929 sind regelmäßige Lehrangebote Kronfelds zur Psychotherapie an der Psychiatrischen und Nervenklinik belegt. 1931 erhielt er dort auch die erste außerordentliche Professur für Psychotherapie einer deutschen Universität, allerdings erst, nachdem er zum Protestantismus konvertiert war. In beiden Gutachten, für die Habilitation wie die Professur, hob Bonhoeffer neben der psychotherapeutischen Expertise auch Kronfelds kritisch Distanz markierende Schrift zur Psychoanalyse von 1912 positiv hervor.

Kronfeld engagierte sich in wissenschaftlichen und professionell-politischen Verbänden so in der "Ärztlichen Gesellschaft für Sexualwissenschaft und Eugenik", in der "Allgemeinen Ärztlichen Gesellschaft für Psychotherapie" und im "Verein sozialistischer Ärzte", als deren Kandidat er sich 1931 neben Alfred Döblin sowie dem Reinickendorfer Stadtarzt und Hirschfeldmitarbeiter Max Hodann auf der "freigewerkschaftlichen Liste" zur Berliner Ärztekammerwahl aufstellen ließ. Mitgliedschaften in politischen Parteien sind nicht nachgewiesen, wohl aber Sympathien für das linksliberale Lager.
Obwohl Kronfeld als Teilnehmer des Ersten Weltkriegs nach 1933 noch nicht sofort in seiner Existenzgrundlage bedroht war, verlor er mit dem Entzug der Lehrbefähigung seine a.o. Professur. 1935 emigrierte er zunächst in die Schweiz, wo er an einem Privatsanatorium unterkam, aber kein Asyl erhielt. Als Kronfeld 1936 einen Ruf als Leiter der Abteilung für "Psychotherapie der Psychosen" am Moskauer "Ganuschkin-Institut" erhielt, zog er mit seiner Frau dorthin, und bekam 1937 die sowjetische Staatsbürgerschaft. Professional genoss Kronfeld in der Sowjetunion hohes Ansehen, unter anderem auch für die Einführung der Insulin-Schocktherapie. Gleichzeitig entzog man ihm in Deutschland, die Approbation, die Doktortitel und als ehemaligen Mitarbeiter des berüchtigten Magnus Hirschfeld auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion wirkte Kronfeld in Propagandasendungen von Radio Moskau mit und verfasste mit anderen Wissenschaftlern 1941 einen Appell zum "Kampf gegen das Hitlertum". Als die deutschen Truppen auf Moskau vorrückten, nahmen sich Arthur Kronfeld und seine Frau Lydia am 15. Oktober 1941 durch eine Überdosis Veronal das Leben.
(Text: Rainer Herrn, Institut für Geschichte der Medizin der Charité)