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Schwarz-Weiß-Portraifoto von Lydia Rabinowitsch-Kempner, sitzend an einem Arbeitstisch.

Lydia Rabinowitsch-Kempner

Quelle: George Grantham Bain Collection, Library of Congress

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Lydia Rabinowitsch kam am 22. August 1871 als jüngste Tochter einer kinderreichen und wohlhabenden jüdischen Brauereifamilie in der damals russischen Grenzstadt Kowno (heute: Kaunas in Litauen) zur Welt. Nach dem Schulabschluss ging sie in die Schweiz, wo Frauen anders als in den meisten anderen europäischen Ländern bereits zum Studium zugelassen waren. In Bern wurde sie 1894 mit einer Arbeit über die „Entwicklungsgeschichte der Fruchtkörper einiger Gastromyceten“ promoviert. Daraufhin zog sie nach Berlin, wo es ihr im November 1894 gelang, eine Stelle als unbezahlte Assistentin an dem von Robert Koch geleiteten Institut für Infektionskrankheiten, dem heutigen Robert Koch-Institut (RKI), zu erhalten. Zu jener Zeit, in der Koch und seine Schüler wie Paul Ehrlich und Emil von Behring die Bakteriologie als neues Fach in der Medizin etablierten, war Lydia Rabinowitsch die erste und wohl auch einzige Frau, die als Wissenschaftlerin fortan zu diesem Kreis dazugehörte. Nach einem Forschungsaufenthalt in den USA kehrte sie nach Berlin zurück: Sie hatte am RKI den Arzt Walter Kempner kennengelernt, den sie im April 1898 am Rande eines internationalen Kongresses in Madrid heiratete. Ein Jahr später wurde Sohn Robert geboren, für den Robert Koch die Patenschaft übernahm und der später ein berühmter Jurist und Stellvertreter des amerikanischen Chefanklägers bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen wurde. Es folgten die Kinder Nadeshda (Nadja) und Walter.

Was äußerst untypisch für die damalige Zeit war: Auch nach der Geburt ihrer Kinder setzte Lydia Rabinowitsch-Kempner ihre Karriere fort. Bereits während ihrer Tätigkeit bei Robert Koch hatte sie nachweisen können, dass die seinerzeit im Handel erhältliche Rohmilch und Butter häufig mit Tuberkelbazillen verunreinigt war, was auch für Menschen, insbesondere Säuglinge, ein gesundheitliches Risiko bedeutete. Ihre Forschungsarbeiten trugen zur Entwicklung eines Pasteurisierungsverfahrens bei, mit dem keimfreie Milch und Milchprodukte sichergestellt werden konnten. Sie widmete den Großteil ihrer wissenschaftlichen Karriere der Erforschung und Bekämpfung der auch als Schwindsucht gefürchteten Volkskrankheit. Durch ihre Veröffentlichungen und Vorträge auf Kongressen wurde sie zu einer international bekannten Tuberkuloseforscherin. Im Jahr 1914 übernahm sie die Schriftleitung der renommierten „Zeitschrift für Tuberkulose“ – auch dies ein Zeichen dafür, welch hohes Ansehen sie unter ihren fast ausschließlich männlichen Kollegen genoss. Tragischerweise musste sie miterleben, wie später sowohl ihr Mann als auch ihre Tochter an Tuberkulose starben.

Mehrere Versuche, Lydia Rabinowitsch-Kempner nach dem Ende des Ersten Weltkriegs zum „lehrenden Honorarprofessor“ an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu ernennen, schlugen fehl. Daraufhin verließ sie die Charité und übernahm im Jahr 1920 die Leitung des Bakteriologischen Labors am Städtischen Krankenhaus Moabit. Das Amt der Direktorin hatte sie bis 1934 inne, als sie aufgrund ihrer jüdischen Herkunft durch die Nationalsozialisten entlassen wurde. Lydia Rabinowitsch-Kempner starb am 3. August 1935, wenige Wochen vor ihrem 64. Geburtstag, und wurde auf dem Parkfriedhof in Berlin-Lichterfelde begraben.

(Text: Benjamin Kuntz, 2021)

Stipendien für promovierte oder habilitierte Wissenschaftlerinnen

Seit 2007 vergibt die Medizinische Fakultät der Charité im Rahmen der Lydia-Rabinowitsch-Förderung Stipendien an promovierte oder habilitierte Wissenschaftlerinnen. Ziel des Programms ist es, Frauen, die sich für eine verantwortliche Position qualifizieren möchten, bei der Weiterführung ihrer wissenschaftlichen Laufbahn zu unterstützen, wenn sie diese aus familiären und/oder sozialen Gründen unterbrochen haben: Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der Charité

Zum 150. Geburtstag

Ein ausführlicherer Gedenkbeitrag zum 150. Geburtstag von Lydia Rabinowitsch-Kempner ist in der Ausgabe 8/2021 des Berliner Ärzteblatts erschienen.

Zum Weiterlesen

Katharina Graffmann-Weschke (2021)
So wollen denn auch wir in diesem Sinne handeln
Die Bakteriologin Lydia Rabinowitsch-Kempner (1871-1935).
Hentrich & Hentrich: Leipzig/Berlin